"Patchwork-Familie"

 

Sebastian, 41: Ich lebe in einer Patchwork-Familie, wir haben jeweils zwei Kinder mit in die Ehe gebracht, meine Söhne sind 13 und 16, ihr Sohn 8 und die Tochter 11. Meine Partnerin und ich haben leider sehr unterschiedliche Erziehungsstile, sie wirft mir vor, ich sei zu wenig streng (bei Süßigkeiten, neulich bei der Kleidungswahl des großen Sohnes oder wenn er Große mal zu spät nach Hause kommt). Ich dagegen finde, sie könne manchmal auch die Zügel lockerer lassen. Sollen wir uns bei der Erziehung nur auf unsere Kinder konzentrieren?

 

 

Hallo Sebastian,

 

das Zusammenleben in einer Patchworkfamilie kann ein für ein Paar eine besondere Herausforderung darstellen. Denn dieses Familiensystem besteht aus zahlreichen, unterschiedlichen Beziehungen und damit verbunden, auch aus verschiedenen, teils konträre Erwartungen und Bedürfnissen. Auch Erfahrungen, wir Trennung, Konflikte und Verlust mit zu berücksichtigen, kann bei der Überlegung, wie ihr zukünftig als Familie zusammenleben möchtet, hilfreich sein.

 

Ich verstehe dich so, dass sich eure Paarkonflikte zurzeit größtenteils an Fragen der Erziehung entfachen. Damit seid ihr nicht allein. Unterschiedliche Erziehungsstile können auch bei Paaren mit eigenen Kindern zu Unstimmigkeiten führen und natürlich ist in Patchworkfamilien dieses Thema mit eines der häufigsten Konfliktpunkte. Die schlechte Nachricht an dieser Stelle ist: Dieser immer wiederkehrende Prozess der Aushandlung lässt sich nicht vermeiden und ist im Gegenteil sogar, wichtig und notwendig. Die gute Nachricht ist, dass das „Projekt Patchworkfamilie“ durchaus gelingen kann. Es hat sich herausgestellt, dass insbesondere Patchworkfamilien, die sich für diesen Prozess der Aushandlung Zeit gelassen haben, in dem viel kommuniziert und auch die Kinder immer wieder mit einbezogen worden sind, gut zusammenwachsen konnten. Es geht also darum, über die  aufkommenden Ambivalenzen und Widersprüche immer wieder miteinander zu sprechen und bereits aufgestellte Regeln wieder zu verändern und zu überdenken, wenn diese sich nicht als praktikabel herausgestellt haben. Das ist mühsam und kostet mit Sicherheit Kraft, kann sich aber lohnen.

 

Zunächst macht es vielleicht den Eindruck eine klare Linie zu ziehen, also du übernimmst die Erziehung deiner Kinder und deine Partnerin die ihrer, vielleicht einfacher. Wie genau dann aber die Rollen ausgefüllt werden, ist schwieriger. Denn auch wenn ihr versucht strikt zu trennen, wird es immer Themen geben, die auch den jeweils Anderen betreffen. Ich empfehle in diesem Fall euch bewusst zu machen, dass es auch bei dieser Regelung Zeit und Raum für Diskussionen braucht. Es könnte eine Idee sein, explizit diese  Zeit mit in euren Familienalltag bzw. Paaralltag einzuplanen. In diesen Gesprächen sollte es natürlich um aufgestellte Regeln und Vereinbarungen gehen. Wichtig ist es aber auch, euch den Raum zu gönnen, über die aufkommenden Gefühle und Bedürfnisse auszutauschen. Also euch nicht nur auf der Sachebene zu begegnen, sondern auch auf der emotionalen. Das kann helfen, Verständnis für den jeweils Anderen zu entwickeln und die Diskussionen ruhiger und auch konstruktiver zu führen. Ein kleiner Tipp noch zum Schluss: Nimmt euch regelmäßig Zeit für euch als Paar und stärkt damit eure Verbindung, denn diese kommt meiner Erfahrung nach häufig zu kurz in diesem oft herausfordernden Familienalltag.